Antrittsvorlesung von Sita Steckel als Professorin für Mittelalterliche Geschichte

Foto: André Stephan

Sita Steckel blickt in ihrer Antrittsvorlesung am 6. November 2024 auf den mittelalterlichen Umgang mit konkurrierenden Orden und schlägt den Bogen in die Gegenwart.

Unter dem Titel „Auf den Esel gekommen“ nahm die zuvor in Münster tätige Historikerin das satirische Speculum Stultorum von Nigel de Longchamps und seinen Protagonisten, den Esel und „Ordensgründer“ Brunellus zum Ausgangspunkt, um über die Vielfalt christlicher Orden im 12. Jahrhundert zu sprechen und hieraus auch einen Fingerzeig für die Analyse aktueller Debatten über Pluralität abzuleiten.

Entgegen Positionen der älteren Forschung unterstrich Steckel einleitend, dass sich die Ordensblüte im 12. Jahrhundert nicht allein aus der Wiederbelebung oder Reform früherer monastischer Bewegungen erklären ließe. Vielmehr sei es in Interaktion mit den politischen und sozialen Entwicklungen der Zeit zu einer tatsächlichen Pluralisierung gekommen, bei der Vorrangstellungen, Deutungsansprüche und Themen wiedie Bedeutung der Abkehr in der Welt neu ausgehandelt wurden (z.B. zwischen den älteren Cluniazensern und den jüngeren Zisterziensern).

Ausgangspunkt für einen Fingerzeig für die Analyse aktueller Debatten über Vielfalt:

Nigel de Longchamps’ “Speculum Stultorum” und sein Protagonist, Esel und „Ordensgründer“ Brunellus bildeten den Aufhänger des Vortrags.

Abbildung: Brunellus in speculo stulto[rum],” The College of Physicians of Philadelphia Digital Library, Rechte: NoC-NC/1.0/.

Wenn sich so also keine direkte Verbindungslinie zwischen einer mittelalterlichen Befürwortung von Ordensvielfalt und einem modernen Pluralismus – verstanden als Akzeptanz der Vielfalt der Gleichen – zeigen lasse, schärft die Beschäftigung mit den mittelalterlichen Debatten für Steckel dennoch der Blick für das Hier und Jetzt: Schließlich gehe auch in der Gegenwart jede Zunahme von Vielfalt mit der Infragestellung bestehender Gültigkeiten und Rangordnungen einher. Daher brächte sie auch heute fast unweigerlich Reaktionen hervor, in denen es darum ginge, soziale und politische Hierarchien zu zementieren oder neu zu setzen. Genau dies könne eben auch im Gewand der Befürwortung von Vielfalt geschehen – die dann allerdings als Vielfalt der Ungleichen konzipiert sei.

Sita Steckel ist seit August 2023 Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt. Seitdem ist sie auch PI beim Forschungsverbund „Dynamiken des Religiösen“ und leitet dort eine Arbeitsgruppe zum Verhältnis von Religion und Macht.